Exkursion des 59. WL nach Tschechien
08. September 2025

Die Gruppe vor dem Bezirksarchiv Pilsen, Standort Nepomuk. Aufnahme M. Mírková
Vom 8. bis 12. September ging die große Exkursion des 59. WL nach Prag. Neben interessanten Terminen in Prag selbst (u.a. Nationalarchiv, Stadtarchiv, Nationales Filmarchiv) wurden das Lastenausgleichsarchiv in Bayreuth und das Bezirksarchiv in Pilsen besucht. Prag präsentierte sich freundlich.
Den ersten Stopp machte die große Exkursion des 59. Wissenschaftlichen Lehrgangs der Archivschule am 8. September im Lastenausgleichsarchiv in Bayreuth. Leiter Karsten Kühnel stellte die Einrichtung vor und führte dann mit Edith Wagner durch das Haus. Das zum Bundesarchiv gehörende LAA ist eine im deutschen Archivwesen durchaus ungewöhnliche Einrichtung: Der sogenannte Lastenausgleich zwischen Vertriebenen und Nicht-Vertriebenen wurde im Auftrag des Bundes von verschiedensten Behörden aller Ebenen durchgeführt. Deren den Lastenausgleich betreffende Akten wurden (und werden) ohne jede Bewertung in Bayreuth zentralisiert. Herr Kühnel betonte, dass derzeit im Rahmen des Wiedergutmachungsprojektes umfangreiche Erschließungsarbeiten stattfänden, ein Novum im LAA. Der Standort Bayreuth wurde in den 1990er Jahren durch das Bundesarchiv wegen attraktiver Unterstützungsangebote des Landes Bayern gewählt.

Im Magazin des Nationalarchivs Prag. Aufnahme Robert Meier
Nach Mittagspause im sonnigen Zentrum Bayreuths ging es weiter durchs Fichtelgebirge nach Prag. Dort besuchten die Teilnehmer am ersten Abend gemeinsam das klassische Bierlokal U Fleku.

Karsten Kühnel im Magazin. Aufnahme Robert Meier
Der nächste Tag begann im Tschechischen Nationalarchiv. Jan Kahuda, Jan Kouřimský und Pavel Fousek stellten die Einrichtung und aktuelle Probleme des tschechischen Archivwesens vor. Im Magazin sahen wir ausgewählte Zimelien aus dem Archiv der Fürsten Metternich, das sich im Haus befindet, darunter einen Casanova-Brief. Gezeigt wurden auch serielle Quellen aus der Zeit des Protektorats Böhmen und Mähren. Wegen der steigenden Immobilien-Preise im Prager Zentrum registriert das Archiv in den letzten Jahren vermehrt Angebote zur Übernahme nicht staatlicher Unterlagen. Bemerkenswert war auch die Fahrt mit dem Lastenaufzug ins oberste Stockwerk des Magazins mit beeindruckendem Ausblick.

Jan Kahuda und Robert Meier im Nationalarchiv Prag. Aufnahme Manuel Mozer
Nachmittags stand der Besuch des Stadtarchivs auf dem Programm. Stadt- und Staatsarchiv sind unmittelbare Nachbarn, errichtet in den 1990er Jahren als eine Art Archivcampus. Damals lag das Areal auf der grünen Wiese vor den Toren der Stadt, deren Expansion mittlerweile weit über die Archive hinausgegangen ist. Petr Kreuz und der stellvertretende Direktor Jan Vichra stellten zunächst das Haus und seine Geschichte vor und führten dann durch die einzelnen Funktionsbereiche. Mit etwa siebzig Mitarbeitern ist das Stadtarchiv Prag das mit Abstand größte der insgesamt nur fünf Kommunalarchive Tschechiens. Besonders beeindruckte eine Maschine zur Schimmelbekämpfung durch Begasung, eine Methode, die man in Deutschland aus dem Museumsbereich kennt, die aber im Archivbereich nicht mehr angewandt wird.

Aussicht aus dem Magazin des Nationalarchivs Prag. Aufnahme Simon Schmitz
Am Mittwoch besuchten wir die etwa vierzig Kilometer westlich von Prag in einem Seitental der Moldau gelegene Burg Karlstein. Zur Einführung verortete Simon Bürcky die Entstehung der Burg im Herrschafts- und Selbstverständnis des Erbauers Kaiser Karl IV. Die englischsprachige Führung durch die Anlage konnte dies dann nachhaltig veranschaulichen. Am Nachmittag wurden in individuellen Gruppen Hradschin und Veitsdom besucht, wobei die eigentliche Burg leider derzeit nicht zugänglich ist. Am Ende des Besuchs setzte Starkregen ein.

Es regnet. Sebastian Hansen auf der Prager Burg. Aufnahme Robert Meier
Der Donnerstag begann mit einem Besuch im „Centre for medieval Studies“ in der Prager Altstadt. Dr. Pavel Soukup stellte die Einrichtung vor, die mit der Universität und der Akademie der Wissenschaften zusammenarbeitet und teils von diesen getragen wird. Dr. Robert Novotný informierte über die digitalen Projekte des Centre, bei denen große Überschneidungen mit ähnlichen Vorhaben Deutschland deutlich wurden. Der Nachmittag sah uns dann in einem alten Kinosaal: Das nationale Filmarchiv betreibt in der Altstadt an historischem Ort die Cinemathek Ponrepo. David Havas erläuterte dessen programmatische Konzeption. Im Anschluss bot der Leiter des Filmarchivs Michel Bregant einen fulminanten Vortrag über Aufgaben und Probleme eines nationalen Filmarchivs heute, dessen Ziel in Tschechien weit gefasst die Bewahrung des visuellen Kulturerbes ist.

Die Gruppe vor dem Lastenausgleichsarchiv. Aufnahme Robert Meier
Den letzten offizielle Termin der Exkursion bildete dann am Freitag den 12. September der Besuch der Außenstelle Nepomuk des Bezirksarchivs Pilsen. Jakub Mírka stellte die Einrichtung mit Unterstützung seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor. Das Haus bewahrt vor allem Wirtschaftsüberlieferung (darunter einige Regalkilometer mit Unterlagen der Skoda-Werke) und deutschsprachige Archivalien von in der Region begüterten Adelsfamilien. Den Exkursionsteilnehmern wurden sorgfältig ausgewählte Archivalien präsentiert. Zu den Kuriosa gehörte dabei die Totenmaske von Feldmarschall Alfred I. Fürst zu Windisch-Graetz (1787–1862), dessen Familie 1782 die Herrschaft Tachau erworben hatte.
Mit der Rückkehr nach Marburg endete die Exkursion. Das lebhafte Prag war freundlich zu uns und die tschechischen Kollegen zeigten sich stets freundlich und aufgeschlossen. Wir sind zuversichtlich, dass die Reise den fachlichen Austausch zwischen tschechischen und deutschen Archivarinnen und Archivaren und das Verständnis füreinander nachhaltig gefördert hat.