Vom „Gewogenen“ zum „Bewegenden“ – Archivbesuche in Mannheim und Heidelberg

Eine Gruppe Menschen steht vor dem Eingang eines Gebäudes

Fast schon einer Tradition folgend, führte die zweite Tagesexkursion die Archivschule wie im Vorjahr, nun aber mit dem 58. Wissenschaftlichen und dem 61. Fachhochschul-Lehrgang, in das Marchivum nach Mannheim bzw. in das Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland nach Heidelberg. Beide Archive stachen dabei erneut durch ihre Besonderheiten und Vorzüge hervor und hinterließen bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Exkursion einen bleibenden Eindruck.

Zunächst dürfte dies in Mannheim auf die besonderen baulichen Umstände zurückzuführen sein, denn das Stadtarchiv befindet sich seit wenigen Jahren in einem ehemaligen Luftschutzbunker. Dieser Betonkoloss, der einst mehreren Tausend Menschen Schutz gewährte, bietet nunmehr Raum für aktuell 16 laufende Kilometer Archivgut. Und trotz der eher glatten und harten Struktur zeigt sich das Gebäude im Innern filigran und feinsinnig, vor allem wenn es um die archivischen Arbeitsfelder geht.

So referierten der Archivleiter, Herr Dr. Harald Stockert, und Frau Verena Schenk zu Schweinsberg nach einer kurzen Faktenschau über die moderne Aufstellung ihres Hauses. Natürlich profitiert das Archiv insgesamt von einer modernen Ausstattung, wofür das Digitalisierungszentrum der beste Beweis ist. Doch man beschreitet dort auch bei der Vermittlung der Stadtgeschichte im digitalen Zeitalter neue Wege. Virtuelle Ausstellungen, Online-Recherchen und Social-Media-Angebote bieten zeitgemäßen Zugang, während künstlerische Akzente bei der Gestaltung des Innenraums ästhetische Marken in der städtischen Kulturlandschaft setzen. Grundlage hierfür dürfte zudem die finanzielle Eigenständigkeit des Hauses sein, das sich letztlich als moderner Dienstleister versteht.

Während des Rundgangs durch das Gebäude bestätigte sich dieser Eindruck, wobei noch zwei Punkte zu erwähnen sind: zum einen die baulichen Verhältnisse im Magazin, weswegen sich das Archiv laut Dr. Stockert auf Grund der statischen Bedingungen als das „am genauesten gewogene Archiv“ Deutschlands bezeichnen dürfe, zum anderen das virtuelle Modell der Stadt, anhand dessen die Geschichte Mannheims eindrucksvoll durch Licht- und Toneffekte präsentiert wurde. Nach einer kurzen Stärkung folgte das zweite Exkursionsziel in Heidelberg.

Eine Gruppe Menschen steht in einem Raum mit RegalenDort wurden beide Lehrgänge vom Leiter des Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Dr. Ittai Joseph Tamari, empfangen. In dem Gebäude, das vom 19. Jahrhundert bis in die 1950er Jahre als Zigarrenfabrik diente, offenbarte sich ein liebevoll betreutes Archiv, welches mit hebräischen und deutschen Bibelauszügen an den Wänden geschmückt ist. Anhand dieser Textpassagen machte Dr. Tamari deutlich, wie wichtig die Überlieferung der jüdischen Gemeinden in Deutschland ist und welche Erkenntnisse sich in den vorhandenen Beständen verbergen.

Tatsächlich stellt vor allem die Einwerbung von Beständen bei den Gemeinden laut Dr. Tamari eine veritable Herausforderung dar, weil hinsichtlich der Übergabe von Unterlagen oft viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. Vorbehalte gegenüber Abgaben – gerade dann, wenn es keine Pflichtabgaben sind – kennt man in der Archivwelt durchaus. Letztlich wird aber gerade durch die Arbeit des Zentralarchivs die Sicherung jüdischen Lebens gewährleistet, was angesichts der schrumpfenden Zahl von Gemeinden umso wichtiger ist.

Die Bedeutung des Zentralarchivs wurde im Zuge des Rundgangs durch das Magazin immer deutlicher. Neben den Ausführungen von Dr. Tamari waren es auch die Geschichten zu den Beständen, die in zum Teil bewegender Weise über den Erhalt und den inhaltlichen Wert der Unterlagen Auskunft geben. Insofern kann man sich dem Wunsch anschließen, dass das Zentralarchiv in seiner Arbeit mehr Unterstützung finden soll.

Beide Institutionen in Mannheim und Heidelberg boten den Lehrgängen interessante Einblicke in das archivische Arbeiten, was sich in den anschließenden Diskussionen zeigte. Zugleich wurde in beiden Archiven für das leibliche Wohl der Lehrgänge gesorgt, wofür die Archivschule Marburg an dieser Stelle herzlich danken möchte. Wir freuen uns auf die weitere Entwicklung der beiden Archive und werden sicherlich in Zukunft dort wieder einmal vorbeischauen.

zurück