Nach einem Monat ausgiebigen und wohlverdienten Urlaubs war es am 2. September wieder soweit: Die Archivschule war zurück. Und sie sollte uns direkt mit einem Highlight begrüßen, der Großen Exkursion. So machte sich am Morgen des 2. September ein Großteil des Kurses per Bus aus Marburg auf den Weg zu unserem Ziel: Aachen; ein kleiner Teil reiste per Bus und Bahn von zuhause aus an. Unser erster Stopp in der Kaiserstadt war die Grünenthal GmbH. Hier wurden wir vom Unternehmensarchivar Michael Bursian mit einem umfangreichen und großartigen Buffet begrüßt.
Danach wurde uns zuerst einmal die Vision und Idee der Grünenthal GmbH nähergebracht sowie in aller Ausführlichkeit auf das Thema „Contergan“ eingegangen – ein Pharmaskandal, der bis heute weiterhin Bekanntheit besitzt und die Firma sowie deren Kunden beschäftigt.
Nachdem dies geschehen war, stellte Herr Bursian seine Arbeit sowie die Besonderheiten eines Unternehmensarchives vor. Außerdem wurde uns das hausinterne Ausbildungszentrum vorgestellt.
Im Anschluss an unseren Besuch bei Grünenthal bezogen wir gegen Abend unsere Hotelzimmer und ließen den Abend in großer Runde im nahegelegenen Biergarten ausklingen.
Am Dienstagmorgen machten wir uns auf zum Internationalen Zeitungsmuseum in der Aachener Innenstadt, wo uns der Museumsleiter, Andreas Düspohl M.A., begrüßte und in die Sammlung sowie die Geschichte des Hauses einführte. Bei einer anschließenden Führung durch das Magazin des Zeitungsarchivs und die Ausstellungsräume konnten wir einige Kuriositäten – wie z.B. eine Ausgabe der kleinsten Zeitung der Welt – bestaunen. Den Abschluss des Besuchs markierte ein Abstecher in das ehemalige Rathaus der Stadt, das sogenannte Grashaus, welches auch für viele Jahre das Aachener Stadtarchiv beherbergte. Der imposante Urkundensaal des ehemaligen Stadtarchivs wird heute als außerschulischer Lernort genutzt.
Nachdem wir die Mittagspause zur Erkundung der Aachener Altstadt genutzt hatten, besuchten wir am Nachmittag das Bischöfliche Diözesanarchiv. Bereits bei der Ankunft zeigten wir uns sehr beeindruckt, da uns Archivleiterin Dr. Beate Sophie Fleck in der gotischen Kirche St. Paul empfing, die im Inneren einen modernen Archivzweckbau beherbergt. Nach einer Vorstellung des Gebäudes sowie einer Führung durch das Magazin und den Öffentlichkeitsbereich erläuterte Frau Dr. Fleck die Besonderheiten des kirchlichen Archivwesens. Auch erhielten wir einen Einblick in aktuelle Entwicklungen im Bereich der Kirchenarchive, wie z.B. die kürzlich erfolgte Einführung von dipsKirche für die digitale Langzeitarchivierung.
Am Mittwoch nutzten wir die Grenznähe der Stadt Aachen für einen Abstecher ins Ausland. Unsere erste Station war das Staatsarchiv Eupen in Belgien, wo uns die Dienststellenleiterin, Els Herrebout, und ihr Team begrüßten. Frau Herrebout erläuterte uns den Aufbau des belgischen Archivwesens und die besonderen Herausforderungen in der archivarischen Arbeit, die sich aus dem föderalen Staatsaufbau Belgiens ergeben. Thema war auch die aktuell stattfindende Erweiterung des Magazinbereichs. Nach einer Stärkung mit belgischer Schokolade erhielten wir außerdem einen Einblick in ein Projekt des Staatsarchivs zur Unterstützung der umliegenden Gemeindearchive.
Danach ging es für uns weiter in die Niederlande zum Historisch Centrum Limburg (HCL) in Maastricht, wo wir mit leckerem Appeltaart empfangen wurden. Der Leiter der Abteilung „Service“, Ingmar Koch, führte uns in die Arbeit des HCL ein, das verschiedene kommunale und staatliche Archive in der Region Limburg bündelt. Bei der anschließenden Führung beeindruckte uns besonders der Lesesaal, welcher im Kirchenschiff eines ehemaligen Franziskanerklosters untergebracht ist. Als weiteres Highlight wurden uns mehrere Urkunden präsentiert, so z.B. das älteste Archivale in einem niederländischen Archiv, eine Fälschung einer Urkunde Ottos I. aus dem 10. Jahrhundert.
Anschließend nutzten einige von uns die Gelegenheit, bei einer Stadtwanderung mit Kerstin Deckert vom HCL die charmanten Gässchen der Altstadt von Maastricht zu erkunden. Gestärkt mit Frieten, Frikandellen und anderen niederländischen Spezialitäten ging es am Abend zurück nach Aachen.
Am Donnerstag begaben wir uns bei einem wachmachenden Morgenspaziergang zum Aachener Stadtarchiv, das in den Gebäuden einer ehemaligen Nadelfabrik untergebracht ist. Dort konnten wir nicht nur die vor nicht allzu langer Zeit modernisierten und vor allem wohlklimatisierten Räumlichkeiten erkunden, sondern es wurden uns darüber hinaus tiefe Einblicke in die Arbeit mit der kommunalen Verwaltung gewährt. Die Besonderheit des Aachener Stadtarchivs besteht in seiner Eigenschaft als Teil des Eigenbetriebs Kultur der Stadt. Aus erster Hand erfuhren wir vom Leiter, Dr. René Rohrkamp (einem Absolventen der Archivschule), und der stellvertretenden Archivleiterin, Frau Dorothea Oelze, von den Archivrettungsmaßnahmen in Stolberg/Rheinland im Juli 2021 und tauschten uns über die Durchführbarkeit von Notfallplänen und den Notfallverbund an sich sowie über die Mithilfe durch THW, Feuerwehr und das historische Archiv der Stadt Köln und seinen Notfallcontainer aus. Als besonderes Schmankerl dieses Besuches kann unbestritten das Befühlen mit bloßen Händen von Kalbs- / Ziegen- und Kuhpergament gelten und die sättigenden Butterstreuselbrötchen – eine Aachener Spezialität – bei der abschließenden Fragerunde. Die verbleibende Zeit bis 19 Uhr stand dann zur freien Verfügung, welche manche zum Essen oder Ausruhen oder zur Erkundung der Aachener Domschatzkammer und des Aachener Doms nutzten. Um 15 Uhr bestand zudem die Möglichkeit, an einer sehr interessanten, vom Kurssprecher organisierten Stadtführung durch den Historiker Sebastian Vonhoegen teilzunehmen, die Orte nationalsozialistischer Verbrechen näher beleuchtete. Den Tag und die gesamte Exkursion ließen Kurs und Mentor bei köstlichem Speis und Trank im nicht nur sinnbildlichen "Viel Harmonie" ausklingen.
Der Morgen des letzten Tages führte den Kurs nach einer überraschend schnellen Busfahrt in das Schokoladenmuseum von Köln, wo wir schon vor der offiziellen Öffnung durch die Ausstellung geführt wurden und sogar ganze Kakaobohnen verköstigen durften. Die Kuratorin, Andrea Durry, zeigte uns die kulturellen Ursprünge des Kakaos in Südamerika auf und präsentierte uns anschließend in einem Raum voller alter Schokoladenautomaten die Geschichte und Vorgehensweise des Schokoladenmuseums mit reichlich Archivbezug. Zum Abschied gab es diesmal Schokoladentäfelchen im Überfluss und nach einer zügigen Busfahrt fanden wir uns am Nachmittag im altbekannten Marburg wieder. Mit Gedanken an diese historisch, fachlich und auch kulinarisch äußerst interessante und vielseitige Exkursion gingen wir ins hart erlaufene Wochenende.
Torben Peinemann, Daniel Möllers, Jan David Gropp